|
|
|
Samstag, 15. 7. Von Ramsen bis Rohrschach, (78 km) Zweihundertdreissig Kilometer, über achtunddreissig
Grad Celsius...So sieht's heute bei der Tour de France aus. Da kann
ich natürlich nicht mithalten, das ist klar. Dafür radle ich
heute achtundsiebzig Kilometer in vier Stunden und dreizehn Minuten,
was für meine Verhältnisse auch ganz akzeptabel ist. Jawohl!
Dabei drücke ich nicht mal sonderlich beherzt auf's Gaspedal beziehungsweise
in die Pedale, sondern bin eigentlich ganz gemütlich unterwegs.
Als ich über den Rhein setze, mit der glitzernden Gegenlichtstimmung zur Linken und dem Blau des Flusses und der Hügel auf der anderen Seite, den Anstieg bis zum Bahnhof hinaufklettere, den Radwegweisern des Seeradweges folge und auf halber Höhe abwechselnd durch Wohngebiete und freies Feld gleite, leckt sich die Sonne durch einige Nebelfelder und der Wind frischt auf - man wird wohl bald die ersten weissen Segel sehen. Ich bin so gut wie alleine auf der Fahrt entlang des Untersees. Das ist mir ganz recht so, denn hier rollt es gut, wenn man nicht durch nebeneinander fahrende Radler ausgebremst wird, und ausserdem mag ich diese Strecke hier recht gerne. Oft fährt man direkt am Seeufer entlang oder kommt durch sehenswerte Städtchen wie Steckborn oder Ermatingen. In Kreuzlingen "gönne" ich mir einen Umweg, weil ich die Beschilderung übersehe, bin dann jedoch relativ schnell wieder auf Spur, die Richtung ist ja klar. Und jetzt wird's recht eintönig. Die Trasse ist gut ausgebaut, weitestgehend asphaltiert, aber kerzengerade und abseits der grossen Wasserfläche. Immerhin läuft es gut, es ist ja fast eben. Mit der Zeit nimmt nun der Verkehr zu, je mehr der Vormittag voranschreitet, desto mehr Radler sind unterwegs. Aber es ist immer noch in Ordnung. Visuell interessant wird es erst wieder so ab Romanshorn, wo man an Hafen und Seepromenade entlang fährt, ebenso in Arbon, Horn, Rohrschach. Mein Hotel in Rohrschacherberg ist bald gefunden, ich kenne den Weg ja noch vom letzten Jahr. Um die Mittagszeit geniesse ich schon ein Erdbeereis im Garten, mache Siesta, und als ich später im hauseigenen Solbad plantsche, fühle ich mich phantastisch, irgendwie so...äh..."Vagabund Deluxe"... Später bekomme ich noch die Schlusssequenz der heutigen
Tour de France Etappe mit, Jens Voigt gewinnt ein spannendes Rennen.
Fühle mich heute auch irgendwie als Gewinner, denn die beiden Tagesetappen
sind bisher spurlos an mir vorüber gegangen, keine sonderliche
Müdigkeit in den Muskeln, auch sonst keine Malässen. Zudem
komme ich mit dem Rad wieder wunderbar klar und wir sind wieder gut
Freund geworden. Abends kehre ich dem See den Rücken und blicke
im Hotelgarten auf grosse Parkbäume, lese nach dem Abendessen noch
mein Buch zu Ende: Victoria Thèrame - Die Pianistin. Ein wunderbar
frisches und ungekünsteltes, tiefes und lebendiges Stück Millieu-Prosa. |