Un, deux, Troyes...was für
ein Auftakt gleich zu Beginn unserer Reise. Putzige Altstadt,
mittelalterliches Gemäuer vom Feinsten, und schon die erste der Kathedralen.
Wir sind nicht die einzigen, die der Stadt heute einen Besuch abstatten.
Die Strassen sind recht gut gefüllt, die Strassencafés und Bistros
sowieso, es ist halt auch verlängertes Wochenende. Troyes ist
vielleicht einen Hauch zu touristisch, wenn man penibel sein wollte.
Wollen wir jedoch gar nicht. Schliesslich tragen ja auch wir zum
Touristenaufkommen bei. Wir lassen uns durch die Innenstadt treiben, müde und noch
etwas benommen von der Anreise und den Temperaturen. Oder ist es der Kulturschock?
Gefühlt haben wir heute den ganzen Tag im Zug verbracht. Zuerst im TGV
von Zürich nach Dijon. Unser ursprünglich geplanter Reisestart – der
gestrige Christi Himmelfahrtstag – musste leider um einen Tag nach
hinten verschoben werden, da alle Züge von Zürich ins Nachbarland schon
ausgebucht waren. Dann halt einen Tag später, kommt ja nicht so drauf
an. Auch heute reisen viele Menschen in die französische
Landeshauptstadt, so ist die Fahrt, sagen wir mal so: Reich an Begegnungen. Unter
anderen haben wir das Glück, in Basel einer allein reisenden Frau um die
dreissig samt Kleinkind, Gepäck und zwei Windhunden ansichtig zu werden,
die in unseren Waggon steigt. Sie führt sich gleich richtig ein, indem
sie einen Fahrgast anschnauzt, der versehentlich seinen Koffer direkt
vor ihr Kind auf den Boden gestellt haben soll. Anschliessend setzt
sie sich, immer noch vor Wut schnaubend, direkt in unsere unmittelbare Nähe. Nun will es der
Zufall so, dass genau neben uns auf der anderen Seite des Gangs
schon eine Frau mit zwei golden Retrievern sitzt. Es dauert nicht lang, bis die
beiden Damen sich gefunden haben und miteinander ins Gespräch kommen. So
sind wir plötzlich von vier Hunden umringt, haben ein quengeliges
Kleinkind auf der Sitzbank vor uns, um das sich die Mutter partout nicht
kümmern will, weil sie lieber ihre neue Bekanntschaft mit einem Monolog
über ihr Leben beglückt.
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Weiter vorne im Waggon sitzt eine
Reisegruppe, wohl aus Indien stammend. Einzelne Mitglieder dieser Gruppe trauen sich kaum an den
Hunden vorbei, wenn sie mal auf die Toilette müssen. Eine entspannte und
ruhige Fahrt erster Klasse - denn genau deswegen leisten wir uns das - malt man sich im Voraus anders
aus. So sind wir froh, in Dijon aussteigen zu können, wo wir nach etwas
Wartezeit den Regionalzug nach Troyes nehmen. Hier geht es viel, sogar
sehr viel ruhiger zu. Bis auf einen gewissen Jean-Pierre, der, direkt hinter uns sitzend, mit
ein paar Telefonanrufen die Schlüsselübergabe seiner Ferienwohnung
organisiert. Doch das empfinden wir nach dem vormittags Erlebten eher
als sozial entspannend. In Troyes radeln wir zu unserem Hotel, checken ein, machen uns frisch und gehen auf die Pirsch.
Morgen soll es dann so richtig losgehen. Zwei Wochen Radreise von
hier über Reims und Laon zur Somme, und dieser dann entlang bis zu ihrer
Mündung in den Ozean. Ob wir die komplette Strecke mit dem Rad
zurücklegen werden, wird sich noch herausstellen. Wenn man noch ein paar
Tage am Meer verbringen will, ist es ein weiter Weg
für die zur Verfügung stehende Zeit. Wir werden sehen. Gefragt ist eine
gewisse Flexibilität. Abkürzungen mit dem Zug sind explizit erlaubt.
Uns sitzen schliesslich keine Kommissäre im Nacken, wie zum Beispiel
während der Tour de France anno 1904, als der Gesamtsieger Maurice Garin
disqualifiziert wurde, weil er mit dem Zug regelwidrig eine oder mehrere
Etappen abkürzte. Wen wundert es, bei den damaligen Etappenlängen... |
| ...kehrt endlich Ruhe ein. |